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Bilder / Objekte

Heidemarie Ziebandt setzt sich in ihren Arbeiten mit Dualitäten auseinander, also mit Gegensätzen, die sich nicht unversöhnlich sondern ergänzend gegenüberstehen. Sie denkt immer das Gegenteil mit, lässt im Geordneten das Chaotische, im Geometrischen das Organische, im Beständigen das Vergängliche aufscheinen. Und sie verbindet die Vorstellung von Symmetrie mit Asymmetrie, Objektivität mit Subjektivität, Kontrolle mit Zufall, Oberfläche mit Tiefe.
Richten wir unseren Blick auf die Oberfläche der Objekte. Was sieht, was erspürt der tastende Blick? Was erzählt uns die Oberfläche vom Prozess der Herstellung und von der Handschrift der Künstlerin? Ist die Oberfläche als Bedeutungsträger bzw. als Vermittler des unter der Oberfläche Verborgenen zu verstehen? Eine Antwort gibt Hugo von Hofmannstal in seinem „Buch der Freunde X268“, nachzulesen als QR-Code in einem Wandobjekt aus Würfelzucker: „Das Tiefe muss man verstecken. Wo? An der Oberfläche“.
Die quadratische Matrix des QR-Codes aus schwarzen und weißen Quadraten, die in einem scheinbar chaotischen Raster angeordnet sind, ist im Alltag überall präsent, auf Plakaten, Anzeigen und Produkten beispielsweise. Mittels einer speziellen Software kann dann der QR-Code als Bild oder Text entschlüsselt bzw. gelesen werden. Das heißt, im abstrakten Oberflächenmuster verbirgt sich eine konkrete Information. Im übertragenen Sinne könnte man vielleicht sagen, dass es nicht darum geht, die Oberfläche zu überwinden und zu den Tiefen (des Seins) vorzudringen sondern darum, die Oberfläche als das uns Zugängliche zu begreifen und als Ort der kreativen Gestaltung zu betrachten.

Zitat: Dr. Heidrose Langer, Einführungsrede zur Ausstellung WIRKLICH WAHR, Gmünder Kunstverein e. V., Schwäbisch Gmünd - 2. Juni 2017



Um transparente Ordnung, um Struktur, um die Schaffung vielschichtiger Systeme bei reduzierter formaler Ausgangslage - darum geht es Ziebandt seit dem Beginn ihres künstlerischen Schaffens. Ihre bildnerischen 'Erzählungen' handeln von Punkt und Linie, von regulierten formalen Nachbarschaften und sorgfältig geplanten Rastern, die ihre Komplexität oft erst beim zweiten Blick preisgeben. Acryl auf Leinwand oder Papier, das taucht sozusagen als Basis aller linearer Lösungen immer wieder auf...
Grundsätzlich ist die einfach zu erwerbende Maßeinheit 'Zuckerstück' eine ideale formale Vorgabe für Heidi Ziebandt, deren Gesetzen sie sich freiwillig und mit Hurra unterwirft. Sie weiß selbstverständlich um die Tradition der konkreten bzw. konstruktiven Kunst, aber für ihre eigene Arbeit macht sie sich immer wieder bloß. Ihre Versuche der formalen Fassung von Welt entfalten für sie tatsächlich nur durch das handwerkliche Tun, das konkrete Hantieren mit Zuckerstückchen und Acryl und Leim und Lack ihre Gültigkeit.

Zitat: Birgit Höppl, Einführungsrede zur Ausstellung NAHBEREICH, pro arte ulmer kunststiftung, Ulm/Donau - 25. November 2016



Nichts also zerfließt, zerbröselt oder wird gar instabil hier. Zwischen grafisch-malerischer Flächigkeit leicht erhabener Reliefs und blockhaft skulpturalen Objekten untersucht Heidemarie Ziebandt vielmehr das für sich neu entdeckte Material in einer verblüffenden Varianz. Eine ganz eigene Bildgattung einnehmend behaupten sich dabei die Blöcke ebenso auf den Sockeln liegend, wie sie auch an der Wand befestigt in den Raum ausgreifen können. Modellartige Architekturen oder doch eher volumenhaltige Schichtenmalerei: die längsrechteckigen Riegel, Würfel oder Tafeln (so schlicht auch die Betitelung derselben) vermitteln über ihren linearen Aufbau – sugar pic für sugar pixel – ebenfalls die zeitgenössische Verwandtschaft zur gerasterten Auflösung digitaler Bildformate.

Zitat: Clemens Ottnad, Einführungsrede zur Ausstellung ÜBERZUCKER, Galerie im Gewölbe, Osiander Reutlingen - 29. Oktober 2015



Erhabene Linien stehen auf glatt schimmernden Maloberflächen, Sternbahnen und Satellitenschweife am nächternen Himmel, sich ringelnder Faden auf schwarzem Stoff, parallele oder aber verschlungene Wegepläne in verdunkelten Nachtlandschaften. Die Linienführung über die Bildfläche (und über sie hinaus), ihr dynamisches Gerichtetsein, ihr Rhythmus (auch Unterbrechungen, ein Staccato, mäandrierend), deren unterschiedliche Strichstärken und damit einhergehend auch verschieden ausdifferenzierte Helldunkeleffekte und Verdichtungen von Farbmaterie treten in den Mittelpunkt des Interesses.
Die Objekte und Malereien der in Steinenkirch lebenden Künstlerin erschließen sich erst in der allmählichen Annäherung, in der Vergewisserung einzelner Elemente (Grundbausteine) und deren Gesamtwirkung zu einem Ganzen. Streng konstruktiv gerasterte, scheinbar völlig geschlossene Maloberflächen entwickeln in ihren Arbeiten eine eigene Körperhaftigkeit von offen-porigen Reliefgründen, die in Acrylfarbe gefasste, organisch-zelluläre Einheiten bilden und gleichzeitig doch als Bildkontinuum zusammenzusehen sind. Heidemarie Ziebandt weiss dabei malerisch höchst experi- mentelle Ansätze mit handwerklich-technisch ausgeklügelten Verfahren zu verbinden. Hunderte und abertausende von Würfelzuckerwürfeln sind nämlich auf Holzkörper oder andere Gründe montiert und mehr oder weniger trockene bis fließende Farbaufträge sorgen für ein Spektrum unterschiedlicher Lichteindrücke zwischen grafisch-linearer Strenge und malerischen Unschärfen. Wenngleich diese Arbeiten notwendigerweise vom Wechselspiel zwischen bildnerischem Kalkül und materialem Zufall bestimmt sind, muten die akkumulierten Zeichensysteme der zuckrig-kristallinen Units (der kubischen Einzeleinheiten) in ihrer konzentrierten Reihung geradezu analytisch an.

Zitat: Clemens Ottnad, Einführungsrede zur Ausstellung ANSICHTSSACHEN, Städtische Galerie im Alten Bau, Geislingen/Steige - 5. Februar 2012



Heidemarie Ziebandts Bilder, welche die Linie zum Thema haben, strahlen eine meditative Stille und Konzentration aus. Adern, verzweigen sich unentwegt, Linien fließen, rieseln, schlängeln sich. Strich um Strich, Schicht auf Schicht trägt sie auf, sorgfältig und überlegt, und verwirkt die Linie zu einem dichten Gewebe. Vergangenes wird von Gegenwärtigem überlagert. Zeit spielt dabei eine wichtige Rolle: der Augenblick, die verfließende oder verdichtete Zeit, lineare und zyklische Abläufe, Vergänglichkeit. Immer stehen Bewegung, Veränderung, Verwandlung und damit prozesshafte Vorgänge, die im Leben verankert sind, im Zentrum ihres Denkens und künstlerischen Handelns.
Es geht um das Machen, d. h. den handwerklich zeitaufwendigen Prozess des additiven Zusammenfügens von Materialien, die wir aus unserem Alltag kennen, und zwar Würfelzucker und Polystyrol, verbunden mit dem Ausloten des Potentials dieser Materialien im Kontext der Kunst, dann um Farbe, konkreter, um die Erforschung ihrer sinnlichen Wirkung und raumbildenden Qualitäten im Zusammenspiel mit Licht, außerdem um die Beschränkung auf geo- und stereometrische Grundformen wie wir es von der konstruktiv-konkreten Kunst bzw. der Minimal Art kennen. Heidemarie Ziebandt bezieht sich hier auf ihre Arbeiten mit industriell hergestelltem Würfel- zucker, der durch strenge Ordnungssysteme (Gitter und Raster) sowie durch die Bearbeitung mittels Farbe eine ästhetische Verwandlung erfährt.
Bilder und Objekte entstehen, mit denen sie untersucht, wie wir Oberflächen, Muster und Strukturen wahrnehmen oder wie Fläche in den Raum transformiert. Dass aus dieser künstlerischen Feldforschung, die Disziplin und ein stringentes Konzept erfordert, poetisch-sinnliche Bildräume erwachsen, ergibt sich aus der Verschränkung von streng-strukturiertem und spielerisch-intuitivem Gestalten.

Zitat: Dr. Heidrose Langer, Einführungsrede zur Ausstellung WIEDERHOLENWIEDERHOLEN, pro arte ulmer kunststiftung, Ulm/Donau - 15. Januar 2010



Aller Stoff taugt. Wenn etwas zu sagen ist, gilt jedes Mittel, das das Gesagte trägt. Und nichts ist minder, was sich dafür verwenden ließe... Die Ausdrucksmittel sind frei. Spätestens seit dem Dadaismus gilt dort keine Beschränkung mehr. Und kann sie auch niemand mehr aufgrund überkommener Ästhetik einfordern dürfen. Was nicht bedeutet, dass die Wahl der Mittel nicht immer noch jede Menge Überraschungen bieten kann. Wer etwa hätte an Zuckerwürfel als Malgrund gedacht? Zuckerwürfel also, eine geometrische Form, die, wiewohl so bezeichnet, ja nicht wirklich würfelförmig wäre, sondern eine Schmalseite aufweist. Fügt man sie aber, quadratische Fläche an quadratische Fläche, ergibt sie ein Koordinatennetz vorzüglicher Strenge und Präzision. ...die malerische Zufügung spielt in einem Spannungsverhältnis von Diffusion, Osmose und planerischer Präzision. Teils mit fast vollkommen identischer Ausdehnung der Farbe, anderwärts mit spielerisch verschiedener Sättigung auf den einzelnen Flächen.
... ein verblüffendes Gegenüber von Stofflichkeit und Tonreiz. Unerwartbar. Und sehr bedacht.

Zitat: Gerhard van der Grinten, Einführungsrede zur Ausstellung NACH STRICH UND FADEN, Galerie Kränzl, Göppingen - 20. März 2009



Die Farbe ist Rezeptur und Zutat für einen sinnenhaften Ausdruck. Immer stellt sie sich in den Dienst der künstlerischen Erforschung von Wahrnehmungsphänomenen. In einem offenen Spektrum zwischen reinbunten Farben und gedeckten Mischtönen, zwischen Warm und Kalt, Hell und Dunkel verdichtet sich die Malerei zu Bilderscheinungen von verführerischer Anziehungskraft und rätselhafter Uneindeutigkeit.
Formale Rhythmen, grafische Verschlingungen und semantische Anatomien entstehen. Als wesentliches Ausdruckselement arbeitet die Künstlerin mit überlagerungen und Schichtungen. Sie offenbaren einen ambivalenten, aus Intuition und Kalkül gespeisten Vorgang der Bildwerdung.
Heidemarie Ziebandts Bildsprache lebt aus dem gezielten Einsatz von Gegensätzen und Korrespondenzen. So entspricht die häufig auftretende Zweiteilung in Farbe, Helligkeit und Struktur deutlich voneinander geschiedener Bildhälften jenen grundlegenden Antipoden in ihrem künstlerischen Werk. Es sind Bilder von der Methode mit der Wirklichkeit umzugehen.

Zitat: Dr. Stefanie Dathe, Einführungsrede zur Ausstellung im Herz-Zentrum Bodensee II, Konstanz - 11. Januar 2007



Das Chaos der Freiheit wird eingebunden in eine Ordnung, die mehrfach konzipiert und wieder aufgelöst wird, so dass Spuren des Schaffensprozesses sichtbar bleiben. Heidemarie Ziebandt verbindet biomorphe Formen mit netzartigen Strukturen, die sie rythmisch gestaltet.

Zitat: Ingeborg Bauer, Einführungsrede zur Ausstellung SCHICHTUNG - IM KLEINEN FORMAT, Galerie Kunstraum_haerten, Jettenburg - 19. Dezember 2004



Installationen

Eine Kugel mit dem Titel „rundum“ von Heidemarie Ziebandt aus organischen und synthetischen Materialen zeigt rund- herum die Verdichtung von Mikrostrukturen. Durch den Mix verschiedener Bestandteile entsteht eine Art Mutant, der jedoch kein Pendant in der Natur findet, auch ein solches nicht abstrahiert, sondern artifizielle Form und Farbe darstellt."

Zitat: Sabine Idstein, Einführungsrede zur Ausstellung 2. SKULTURENSOMMER, Botanischer Garten der Universität Ulm - 5. Juli 2014



Heidemarie Ziebandt bleibt – wenngleich ohne Würfelzucker – ihrem Arbeitsfeld treu. Linien und Strukturen bestimmen auch ihre Bilder. Ganz oben unterm Dach der Zehntscheuer hat sie dies in eine stimmige und optisch fesselnde Rauminstallation umgesetzt: in kreuz und quer gezogenen Linien spannen sich rund 300 Meter Stretchfolie von den alten Dachbalken zu den rustikalen Bodendielen und wieder zurück – verblüffend einfach und in der Wirkung doch komplex genial. Kurz ein spannendes Werk, das perfekt in die Zehntscheuer passt.

Zitat: Sabine Herder aus WÜRFELZUCKER TRIFFT REISIGZWEIGE, SWP vom 13. September 2010



Vor dem Hintergrund des Glaciswaldes hat Heidemarie Ziebandt 155 weiße Holzstäbe rhythmisch über die neu angelegte Rasensenke verteilt. Dieses "Gehölz" ist als spielerische Begegnung von Konstruktion und Natur die überzeugendste künstlerische Intervention in der Landesgartenschau.

Zitat: Petra Kollros aus RHYTMEN IM GRÜNEN, SWP vom 30. April 2008